Cheyenne Factory Day 2018

Geh in irgendein Tattoo-Studio irgendwo auf der Welt: Ich garantiere Dir, dass mindestens einer, wenn nicht alle Künstler, mit Cheyenne arbeiten. Das deutsche Unternehmen Cheyenne hat im Jahr 2007 den Markt in Rekordgeschwindigkeit erobert. Mit der Rotary-Technologie revolutionierte Cheyenne die Art und Weise, wie Tattoo-Artists arbeiten.

By Lizzy Guy
This article is published on Total Tattoo, October issue 2018.

Die Produkte von Cheyenne werden mittlerweile weltweit exportiert. Alleine ihre Manuals gibt es in sechzehn verschiedenen Sprachen. Das Sortiment umfasst limitierte Auflagen ebenso wie ständig angebotene Produkte. Naturgemäß stieß dies bei einigen Tätowierern auf Widerstand, wie das bei vielen Entwicklungen in der Tattoo-Branche so üblich ist. Du kannst es mögen oder Du kannst es hassen, aber: Cheyenne hat eine neue Welle der Technologie losgetreten, die garantiert nicht wieder in der Versenkung verschwinden wird. Total Tattoo Magazine war eine von zwei Zeitschriften, die Cheyenne kürzlich zum Factory Day in das Berliner Hauptquartier eingeladen hatte. Inmitten von gesponserten Artists und namhaften Lieferanten konnten wir genau beobachten, was hinter verschlossenen Türen vor sich geht.
 
Cheyenne ist eine Tochterfirma von Mt Derm, welche auf Permanent Make-up spezialisiert ist. Auf den ersten Blick scheint dies eine eher dürftige Connection zu sein, Tattoo und Kosmetik. Aber wenn Du beide Branchen in der Praxis betrachtest, macht es absolut Sinn. Für beides brauchst Du eine ruhige Hand, Präzision und Liebe zum Detail. Vor über zehn Jahren gelangte die erste Cheyenne-Maschine – die Hawk – in die Hände der Tattoo-Welt. Das Komplettsystem mit Cartridges revolutionierte die Technologie, die Ergonomie und den Komfort in der Tattoo-Branche von Grund auf.
Zehn Jahre später kamen wir nun zum Tag der offenen Tür in das Hauptquartier von Cheyenne. Die Veranstaltung war für gesponserte Künstler und Zulieferer bestimmt. Alle sollten Gelegenheit haben, den berühmten Hawk Pen und Cheyenne selbst hautnah kennenzulernen und die Erfolge des Unternehmens zu feiern. Der Tag selbst war herrlich – die Sonne strahlte, die Champagnerblasen sprudelten großzügig und das Buffet war lecker. Abgesehen von dem angenehmen, sozialen Umfeld waren wir jedoch in Berlin, um zu sehen, was Cheyenne hinter den Kulissen so macht.
Es war großartig, die Unterstützung von vielen Künstlern, die Cheyenne sponsert, am Tag der offenen Tür zu sehen. Tattoo-Artists wie Randy Engelhard, Remis und Julien Siebert waren da, um zu beobachten, wie ihre Lieblingstools hergestellt werden.
Es gibt keine offiziellen Kriterien oder einen bevorzugten Stil für die Künstler, die Cheyenne sponsert. Obwohl sich viele ihrer Artisis auf Realismus spezialisiert haben, wollen sie sich nicht in eine Stilrichtung versteifen. Das bewies die Anwesenheit von Russ Abbott und Theresa Sharpe.
Hier muss ich nun ehrlich sein. Als ich am Morgen in das Flugzeug zum Berliner Flughafen stieg, hatte ich nicht viel anderes erwartet als eine normale Fabrik. Als ich die Auffahrt zu meinem Ziel hinaufging, spukten Reihen von Roboterarmen und Fließbänder in meinem Kopf herum. Es wird immer davon ausgegangen, dass viele große Marken nur in riesigen Serien produzieren. Deshalb konnte ich mich nicht von dieser Vorstellung im Hinterkopf befreien. Ich bin froh, jetzt vor Euch allen zu sagen: Dieses eine Mal in meinem Leben (ha) lag ich komplett daneben.
 
Unsere Werksbesichtigung begann bei den HAWK PENs von Cheyenne. Während es einige beeindruckende Maschinen gab – einige davon kosteten mehr als eine Viertel Million Euro – war meine Vorstellung von Reihen von Maschinen mit ratternden Fließbändern meilenweit von der Wahrheit entfernt. Während die einzelnen Komponenten maschinell hergestellt werden (und das komplett in der Berliner Fabrik), werden die Maschinen von Hand zusammengesetzt und montiert. Das entdeckte ich, als ich vom Fertigungsbereich zum Endbereich ging. Hier konnte ich Mitarbeiter beobachten, die geduldig an ihren Tischen sitzen und jedes Produkt von Hand zusammenbauen. Die Liebe zum Detail war dabei wirklich ziemlich akribisch; es wurde nicht gehetzt, nichts wurde übersehen.
Mir wurde klar, dass Künstler genau das damit meinen, wenn sie sagen: „Du bekommst, wofür Du bezahlst.“ Nachdem jede Maschine im Endbereich fertiggestellt wurde, geht es weiter mit Tests. Dafür wird die Maschine eine Stunde lang betrieben. Nach jedem Test werden Spannung, Geräusch und Temperatur überprüft.
 
Anschließend durften wir alle während einer kleinen Pause Sonnenstrahlen tanken. Dabei konnten wir uns mit Tattoo-Künstlern und Lieferanten unterhalten. Sofort danach ging es zur nächsten Tour, der Produktion der Cartridges. Natürlich ist Hygiene bei jeder Produktion von größter Bedeutung. Daher wurden wir alle mit weißen Kitteln, Haarnetzen und Barthauben ausgestattet, bevor wir zu den Produktionslinien geführt wurden.
 
Im Vergleich zu der Maschinenfertigung war dieser Bereich viel ruhiger und kühler (ein wirklicher Segen in der 30+ Hitze). Das Formen und Packen der Nadeln war faszinierend zu beobachten. Sie begannen als einzelne „Stifte“ aus Metall, die vor unseren Augen in Tattoo Cartridges umgewandelt wurden. Wieder einmal war ich sehr erstaunt zu sehen, wie viel Handarbeit und Liebe zum Detail bei der Überprüfung und bei der Produktion benötigt werden. Die Mitarbeiter von Cheyenne überprüfen tatsächlich jede Nadelgruppe einzeln!